Heimweh, Ankommen in der Großstadt

Hallo
Bisher war ich immer nur stille Mitleserin und habe gehofft in anderen Beiträgen Antworten auf meine Fragen zu finden bzw. von Personen zu lesen, denen es ähnlich geht, das hilft ja manchmal schon. Jetzt habe ich mich aber doch mal entschieden zu schreiben und eure Einschätzungen zu bekommen. Leider holt mich das Thema in regelmäßigen Abständen immer wieder ein.

Bin Ende 30 habe 2 Kleinkinder und mit meinem Mann vor 5 Jahren in eine uns beiden unbekannte Großstadt im Süden Deutschlands gezogen. Wir haben uns damals für diese Stadt entschieden, weil sie mittig in unsere beide Heimaten lag (jeweils knapp 2 Stunden Fahrt) . Seitdem versuche ich dort Anschluss zu finden, was sehr kräftezehrend ist. Ich hatte anfangs noch sehr viel Heimweh, vor allem als unser Kind geboren wurde. Ich hatte plötzlich das Gefühl, nie mehr dort weg zu kommen und das hat mir Angst gemacht. Vorher bin ich immer gerne umgezogen und habe Neues kennengelernt, hätte ja immer wieder zurück gehen können, wenn ich gewollt hätte. Bin sehr ländlich aufgewachsen und sehne mich sehr nach meiner Heimat. Längere Zeit war es jetzt ok in der neuen Stadt, aber gerade holt es mich wieder ein, vermutlich weil ich auch gesundheitlich und nervlich angeschlagen bin. In meiner Heimat sieht es landschaftlicht ganz anders aus, ich kenne die meisten Leute, ein Großteil meiner Freunde ist dort und auch meine Familie, zu der ich ein gutes Verhältnis habe. Ich bin ein sehr offener und kontaktfreudiger Mensch und schaue auch gerne mal auf nen Kaffee vorbei. Am Dorfleben an sich hat mich damals eigentlich nie etwas gestört. Quatsche gerne mit all möglichen Leuten und würde mich auch am Dorfgeschehen, z. B. osterfeuer etc beteiligen, weil man sich dort trifft. Mein Mann ist zwar auch auf dem Dorf groß geworden, ist aber mittlerweile zum Städter mutiert. Er hat beruflich mehr als gute Perspektiven und unterstützt mich, wo er nur kann. Er trifft sich zwar auch gerne mit Leuten, ergreift aber selten die Initiative und unternimmt auch wenig, um neue Leute kennenzulernen. Das hängt alles an mir, er meint, das würde sich schon alles irgendwann ergeben und braucht Zeit.
Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn, viele auch mit kleinen Kindern und dennoch kam bisher mal nie ne Einladung zum Geburtstag oder sonst was. Ich habe schon 2x eingeladen, aber nie kam was zurück, jetzt ist mir das auch irgendwie zu dumm. Die denken da glaube ich gar nicht drüber nach und es ist ihnen auch nicht so wichtig wie mir Frauen, die ich aufgrund der Kinder dort kennengelernt habe, treffe ich meistens alleine und mit den Kindern, darüber hinaus, also Einladung mit Mann zusammen, kam bisher eigentlich nie. Mit den Kindern bin ich viel alleine und es ist teilweise sehr anstrengend. Bei der Arbeit hat sich leider auch noch nie mehr ergeben. Liegt das an der Stadt? Viele haben nur Wohnungen und keine Häuser und eine Einladung zum Grillen wie in meiner Heimat, wäre dann z.B. schwer. Liegt es vllt doch an uns? Viele haben schon ihren festen Freundeskreis und haben neue Kontakte nicht mehr nötig. In der Heimat wäre das bei mir ja dasselbe. Mein Mann will nicht in meiner Heimat leben, weil zu ländlich, zu weit weg von seiner Familie und beruflich müsste er wirklich sehr viel aufgeben, was ich auch nicht will. Zudem weiß ich auch gar nicht, ob es in meiner Heimat tatsächlich alles besser wäre. Wenn ich dort bin, treffe ich mich mit vielen und alle wollen uns sehen und beschäftigen sich mit den Kindern etc, aber das wäre ja nicht der Alltag. Außerdem habe ich mich auch verändert und genieße häufig auch sehr das Leben in der Stadt, der Trubel, die vielen Möglichkeiten und meine Kinder haben auf dem Spielplatz auch immer so viele Gleichaltrige zum Spielen. Kennt ihr das, dass euch solche Tiefphasen immer mal wieder einholen? Wann ist man wirklich angekommen? Muss ich noch mehr Geduld haben, was die Leute angeht? Wie lange habt ihr gebraucht, um in der Stadt ein dorfähnliches, soziales Leben aufzubauen. Gilt natürlich nur für die, die sich ein ähnliches Leben wünschen wie ich.
Sorry für den langen Text.
Vielleicht hat ja der ein oder andere ein paar beruhigende Worte für mich 😉.
LG

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Ich lebe jetzt seit über 10 Jahren in einer Großstadt, mein Mann schon etwas länger. Einmal haben wir zwischendurch den Stadtteil gewechselt. Wir wohnen jetzt eher kleinstädtisch, fast alle haben hier auch einen Garten, man kennt die meisten Nachbarn. Über die Kinder haben sich nette Bekanntschaften ergeben, wir verabreden uns und werden auch eingeladen. Ja, oft im Sommer zwanglos zum Grillen, da mag die Wohnsituation schon eine Rolle spielen, wie du vermutest. Allerdings kenne ich auch Geburtstagstreffen in Restaurants oder halt auch in kleineren Wohnungen.
Unsere besten Freunde haben wir aber eher über unsere Arbeit hier gefunden.
Ich würde an deiner Stelle sympathische Leute trotzdem weiter einladen. Oder Treffen draußen oder bei Unternehmungen ausmachen. Bestimmt ergeben sich mit der Zeit Freundschaften. Die letzten zwei Jahre waren da ja Corona-bedingt vielleicht auch schwieriger, um neue Kontakte zu knüpfen.

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Danke dir für deine Nachricht.
Freut mich zu hören, dass es bei euch funktioniert. Wir wohnen ziemlich zentral, haben aber viele Familien mit Kindern in unmittelbarer Nähe. Ich würde ungern in einen Vorort umziehen in der Hoffnung dort schneller Anschluss zu finden. Sollte das nämlich dann nicht klappen, hätte ich Dinge, die ich mag, wie Trubel, Restaurants, Cafés, Innenstadt etc nicht mehr so schnell verfügbar und gar nichts gewonnen. Eine Garantie hat man ja leider nicht.
Werde es weiter versuchen, hast recht, dann muss ich mir im Nachhinein zumindest nichts vorwerfen.

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Entschuldige, das war missverständlich. Wir wohnen immer noch in unserer Großstadt, nur unser Viertel wirkt eher kleinstädtisch. Es ist eher am Rande der Stadt, wir sind aber durch die öffentlichen Verkehrsmittel in einer Viertelstunde mittendrin. Und auch unser Stadtteil bietet städtische Infrastruktur.
Aber das ist ja für dich egal, wo wir wohnen. 😊 Ich wünsche dir, dass du bald in eurer Stadt Anschluss findest und richtig ankommst.

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Menschen, die da schon integriert sind, haben meist schon genügend Freunde.
ich lebe seit mehreren Jahren im Ausland und habe über soziales Engagement viele neue Freunde gefunden, wobei die alten regelmässig zu uns in den Urlaub kommen

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Ja, das denke ich mir und wenn man dort "aufgenommen" werden will, muss man schon etwas Besonderes sein;).
Meine Freunde besuchen mich tatsächlich auch hier, aber es ist eben nicht dasselbe wie mal eben spontan auf nen Kaffee vorbeikommen...

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Mein Mann und ich sind die letzten Jahre bis zur aktuellen Station alle 2-3 Jahre umgezogen, nicht immer nur innerhalb Deutschlands. Zwischen 30.000 und 8Mio Einwohnern war alles dabei.
Die Kontakte von den Stationen davor die innig waren haben gehalten und unser beider Netzwerk kommt dann und wann vorbei und wir geniessen das.
Auch dort wo man den Einheimischen nachsagt dass es dauert haben wir Freunde gefunden. Meist erst mal andere Ausländer oder Zugezogene, die Einheimischen kamen aber immer nach.
An der letzten Station hing mein Herz. Anfangs bin ich oft hin gefahren und hab es genossen.
Ich laufe dort rein und bin daheim, sogar im alten Büro. 🙈
Wenn du mich fragst habe ich 3 Heimaten. Die in der ich geboren wurde, die letzte und die aktuelle Station. Ist nur ne andere Sichtweise. Aber für mich hat das viel ausgemacht.
Schau dich mal gezielt nach anderen Zugezogenen um.

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Kann ich verstehen. Ich lebe seit nunmehr fast 40 Jahren im gleichen Ort..Auf dem Land. Zwar gibt es hier mittlerweile auch echt viele Zugezogene, aber wegziehen würde ich trotzdem nicht. Mir würde es wahrscheinlich gehen wie dir. Ich suche allerdings auch keine Freunde. Ich habe nur Bekannte. Ich bin gar nicht so scharf auf dieses Treffen, erst recht mag ich keine Kinder anderer Leute.
Wäret ihr nicht auch ohne diese Suche nach Anschluss glücklich? Ich finde es sehr anstrengend, Freundschaften zu pflegen.

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Mir geht es in gewisser Hinsicht ähnlich. Auch ich lebe fast mein ganzes Leben in der gleichen Großstadt. Mir ist es leider nicht gelungen, richtige Freundschaften aufzubauen.
Daran konnten weder mein Mann noch meine Arbeit etwas ändern. Vielleicht aber gerade deshalb weil es manchmal auch arbeitsintensiv ist. Ich dachte über die Kinder ergeben sich neue Dinge aber entweder passten die Eltern nicht zu uns oder die Kinder nicht zu unseren Kindern. Dazu kommt dass wir mit Familie und Vereinsaktivitäten der Kinder gut ausgelastet sind, aber vielleicht wäre das ja eine Option? Verein suchen?
Ich drücke dir die Daumen dass du zufrieden wirst mit der Situation.

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Endlich mal eine Frage, die ich definitiv mit "nein" beantworten kann. Ohne Anschluss und soziale Kontakte wäre ich niemals glücklich. Ich bin ein sehr kontaktfreudiger und offener Mensch, ohne ein ausreichend großes, soziales Netz um mich herum, würde ich nicht glücklich werden. Beneide alle irgendwie, die sich selber reichen und das nicht brauchen, denn diese Menschen stehen nicht so unter Druck und sind abhängig von vom Umfeld. Aber so ist es nun mal nicht.

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Hallo Me1509,

vielleicht hilft dir mein Erleben. Aufgewachsen bin ich in einem 2000 Seelendorf. Zum Studium bin ich dann in eine norddeutsche Großstadt gezogen. Dort habe ich 12 Jahre gelebt und gearbeitet, meine Liebe gefunden und eine Familie gegründet. Ich hatte Freunde, wenn auch nicht sehr viele. Auch meine Schwester lebte dort. Wir waren gemeinsam schwanger, sie mit dem 2. ich mit dem ersten Kind. Sie hat sich kurz nach der Geburt von ihrem Mann getrennt und ist zurück in die Heimat gezogen. Ich fühlte mich plötzlich so allein und mein Sohn war in den ersten Monaten sehr anstrengend. Ich habe dann meinen Mann gebeten zurück in die Heimat zu ziehen. Er hat sofort akzeptiert obwohl er Vollblut-Großstädter ist. So sind wir wieder zurück in mein Dorf. Und was soll ich sagen? Der einzige Grund für mich zu bleiben, sind meine Eltern, die uns viel helfen. Die alten Freundschaften auf die ich gehofft hatte, sind eben genau das. Alte Freundschaften, die aber eben nicht mehr die Bindung gegeben, die ich erhofft hatte im Alltag. Würde ich es nochmal machen? Ich weiß es nicht… ich vermisse so oft die Stadt und das Leben das ich dort hatte. Für meine Kinder ist es sicher im Moment schöner hier aufzuwachsen. Mit großem Garten etc. Aber mit dem Rückzug wurde ich auch in alte Rollen gedrückt, die ich gar nicht mehr möchte. Ich bin sicher nicht die Mutter, die ich in der Stadt weiter, weg von meiner Familie. Allerdings bin ich mir nicht sicher ob es dann ein zweites Kind gegeben hätte…

Ich bin insgesamt ein Mensch dem es schwer fällt Kontakte aufzubauen. Wenn es dir nicht vollkommen widerstrebt könntest du versuchen in der nächstgelegenen Kirchengemeinde in eine Kindergruppe/ Krabbelgruppe zu gehen und dort schauen ob sich etwas ergibt. Ich wünsche es dir sehr. Der Unterschied von deiner und meiner Geschichte ist allerdings auch, dass ich nicht mit zwei Kindern in eine total fremde Stadt gezogen bin..

Liebe Grüße

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Vielen Dank für eure Worte. Ich glaube mittlerweile, dass ich schon gerne nen dörflichen Charakter in der Stadt hätte, also mal eben vorbeikommen auf nen Kaffee und was sonst noch vieles dazugehört. Es geht mir aber auf keinen Fall um das grundsätzliche Leben auf dem Dorf, die Vorzüge der Stadt will ich gar nicht unbedingt mehr eintauschen. Nachdem ich eure Beiträge gelesen habe, ist mir bewusst geworden, dass ich wohl am meisten das Vertraute und die Geborgenheit vermisse, die ich in der Heimat empfinde, was in der jetzigen Stadt ja noch gar nicht so sein kann. Ich bin ein Mensch, der das zum glücklich sein benötigt. Ich beneide meine Freunde, deren Familien mal eben abends vorbeikommen, die langjährige Freundschaften pflegen können, wo alles so vertraut ist, wenn man sich trifft. Ich habe auch viele Freunde verstreut, aber ich hätte sie eben gerne um die Ecke. Jetzt mit Kindern überwiegt einfach dieses "Nestgefühl", was ich vorher nicht so sehr vermisst hatte bzw ja jederzeit wieder hätte haben können, wenn ich es vermisst hätte. Mit Kindern geht das jetzt eben nicht mehr so einfach. Ich weiß aber auch, dass. Ich gerade viel von damals glorifiziere und idealisiere. Mit Sicherheit gäbe es auch in der Heimat vieles, was ich dann blöd finden würde, weil ich mich in den Jahren ja auch verändert habe. Kann gerade den Namen nicht sehen, aber das hat ja jemand von euch auch geschrieben, dass in der Heimat dann plötzlich auch nicht mehr alles so war wie erhofft. Ich glaube, ich muss einfach geduldiger sein und wie jdn von euch auch gesagt hat, auf Neuzugezogene zugehen bzw weiter versuchen Kontakte aufzubauen, dann werde ich hoffentlich auch hier innige Freundschaften aufbauen können.
Ich danke euch allen für eure Beiträge und Hilfe, das hat gut getan. Danke.